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Sandmann's Blog


von Nancy Nadja Sandmann 01 Jan., 2024
Über Nacht hat es geschneit. Die Felder sind schneebedeckt, die Bäume weiß überzogen. Schmal ist der breite Weg geworden, nur noch ein Pfad. Der Wanderer schiebt sein Rad durch die stille Landschaft. Er hätte eine andere, schnellere Route entlang der geräumten Straße nehmen können. - Er nahm diesen Pfad. Kein Grün lenkt den Blick ab Der Winter macht langsam. Oft auch vorsichtig. Wir ziehen uns warm an, schützen uns vor der Kälte. Wir setzen die Schritte gezielter, horchen auf das Knirschen des Schnees unter den Schuhen. Das Weiß betont die Strukturen der Landschaft, die Schönheit der Baumkronen. Kein Grün lenkt den Blick ab von diesem stillen Weiß. Der Winter macht munter. Die Luft ist oft so frisch und klar, dass sie jede Müdigkeit aus den Knochen treibt. Wir können wieder durchatmen. Der Kopf wird frei. Durch den Schnee zu stapfen, macht einfach gute Laune. Vor allem, wenn die Sonne scheint und es danach wieder ins Warme geht. Der Winter kostet Zeit Der Winter bringt uns aus dem Tritt, wirft Terminkalender über den Haufen und kann bei Glatteis gefährlich werden. Er kostet Zeit, die für Schneeschippen draufgeht. Viele ärgern sich über Neuschnee und matschige Straßen. Ich erinnere mich an einen Winter meiner Kindheit, als wir morgens unser eingeschneites Auto freischaufeln mussten. Das war anstrengend und lustig zugleich. Wer an diesem Tag zu spät zur Schule kam, kriegte keinen Ärger. Der Winter bindet ans Haus. Alte Menschen trauen sich nun oft nicht vor die Tür. Die Angst zu fallen, ist größer als die Freude am Schnee. Dann ist es gut, wenn Familie, Nachbarn oder Freunde helfen können und vielleicht den Einkauf übernehmen. Aber auch Jüngere schränken ihren Bewegungsradius ein. Joggen auf vereisten Feldwegen kann im Krankenhaus enden. Der Winter lädt ein zur Einkehr Der Winter lädt zur Einkehr ein. – Ich mag dieses Wort: Einkehr – ich kehre bei mir selber ein; ich wünsche mir einen Guten Tag. Wiktionary nennt zwei Bedeutungen: Einkehr kann die äußere Handlung sein, ein Lokal zu betreten und die innere Handlung, sich zu besinnen. Die Herkunft des Worts liegt im mittelhochdeutschen inkere, was so viel bedeutet wie Einzug und in sich gehen. Manchmal fallen im Alltag beide Bedeutungen zusammen. Ich habe ein Lieblings-Lokal, in dem nicht nur der Kaffee schmeckt, sondern auch Raum für ein gutes Gespräch ist. Dort schaut niemand auf die Uhr. Im Dunkel leuchtet das Licht umso heller Der Winter ist eine stille Zeit. Meteorologisch beginnt er bereits am 1. Dezember und damit kurz nach oder kurz vor Beginn des Advents. Für mich gehören Winter, Advent und Kerzenschein zusammen. Der kalendarische Beginn ist die Wintersonnenwende und damit der kürzeste Tag im Jahr, diesmal der 22. Dezember. Und dann ist auch schon bald Heiligabend. Fallen in diesen Tagen Schnee und Dunkelheit zusammen, leuchtet jedes Licht umso heller. Die Spanne zwischen den Jahren bis zu den Hl. Drei Königen am 6. Januar hat ihren ganz besonderen Reiz. Ich freue mich jedes Jahr auf die zwölf Rauhnächte. Sie liegen ein wenig außerhalb der Zeit und laden – genau – zur Einkehr ein. Der Winter lässt Pläne schmieden. Ab Mitte Januar werden die Tage wieder spürbar länger. Es mag noch bitterkalt sein, es mag schneien. Und doch bahnt sich der Frühling seinen Weg: Winterlinge leuchten gelb im Schnee. Und ich überlege, wie mein Garten aussehen soll. Welches Gemüse möchte ich anbauen? Welche Blumen anziehen? Die Aussaat von Tomaten beginnt oft schon Ende Februar/Anfang März – also kalendarisch noch mitten im Winter. Welchen Pfad schlage ich ein? Und achten Sie einmal darauf: Wir säen im Winter nicht nur Tomaten, sondern auch Gedanken, Ideen, Projekte, die dann im Jahreslauf – wenn wir unsere Energie wieder mehr nach außen richten - Gestalt annehmen werden. Mein Blick fällt noch einmal auf das Bild des Wanderers. In einem Jahr werde ich dann von Neuem darüber nachsinnen, welchen Pfad ich in den Monaten zuvor eingeschlagen habe, wie ich vorangekommen bin und wohin mich mein Pfad wohl noch führen wird.
von Nancy Nadja Sandmann 01 Jan., 2024
Das kleine Hornveilchen blüht neben der Spur. Fährt ein Auto die Grundstückseinfahrt entlang, bleibt es von den Reifen unberührt. Sie rollen direkt an ihm vorbei. Derweil duckt es sich ins Grün zwischen den Pflastersteinen und zieht den aufmerksamen Blick auf sich. Ich staune und fahre noch einmal nach Hause, um mein Smartphone für ein Foto zu holen. Lebenskunst lernen Das Hornveilchen beeindruckt mich gleich aus mehreren Gründen: • Es wächst dort, wo es andere Pflanzen nicht hinzieht • Es ist vital – seine Blütezeit beginnt im Frühjahr und dauert nach einem sommerlichen Rückschnitt bis zum ersten Frost • Wo es ihm gefällt, da sät es sich selbst aus • Es ist schön anzuschauen – seine zierlichen, bunten Blüten machen gute Laune Kurzum: Das Hornveilchen ist ein Lebenskünstler . Solch ein zähes Blümchen wie das Hornveilchen hat offensichtlich das Zeug dazu, uns Menschen zu inspirieren, mehr und mehr zu Lebenskünstlern zu werden. Aber was ist eigentlich Lebenskunst? - Ich habe bei Wikipedia nachgelesen und diese Infos sind mir ins Auge gefallen: Ein Lebenskünstler ist eine Person, die es versteht, aus allen Situationen im Leben das Beste zu machen. Das erfordert einen klaren Blick auf die eigenen Lebensumstände und die Bereitschaft, aus sich heraus zu leben, also individuelle, kreative Lösungen zu suchen und nicht vorschnell nach Schema F zu handeln. Stehe ich mir selbst im Weg? Dafür braucht es geistige Wendigkeit. Die wiederum lässt sich trainieren. Und zwar ganz konkret im Alltag, im Beruf, in unserem Tun und Lassen, in unseren Familien und Beziehungen. Erst einmal gilt es, ein Gespür für sich selbst zu bekommen. Lebe ich wirklich aus mir heraus? Oder gibt es da tief gespurte Bilder, Vorstellungen und Erwartungen in mir, mit denen ich mir selbst im Wege stehe? Vielleicht meine ich, dass das Leben ungerecht ist oder dass ich um mein Glück kämpfen muss oder dass ich stets die Erste sein muss. Je ungeprüfter ich solche Sätze lebe, umso enger wird mein Blickwinkel auf die Welt und desto weniger lebe ich aus mir selbst heraus. Zusätzlich – und das macht es noch komplizierter - haben Partner oft Bilder voneinander, was sie füreinander sein sollen oder wie ihre Beziehung zu sein hat. Passen die jeweiligen Bilder vom Gegenüber zueinander und jeder erfüllt seinen Part, läuft alles glatt. Und wenn nicht? Wer vom anderen stets Trost und Verständnis erwartet, reagiert enttäuscht, wenn der andere dies gerade einmal nicht geben kann. Und wer von sich erwartet, stets Trost spenden zu müssen, hadert mit sich, weil das Leben Situationen schafft, in der er/sie das nicht mehr kann und selbst Trost bräuchte. In die Weite gehen Oft streiten wir dann um die jeweiligen Bilder, die wir uns auf keinen Fall wegnehmen lassen wollen. Vielleicht ist es aber auch an der Zeit, überlebte Vorstellungen ziehen zu lassen und einen freieren Blick auf sich selbst und das Gegenüber zu wagen. Denn unsere Person ist stets mehr als das Bild, dem sie entsprechen soll. Und in diesem Mehr liegt der eigentliche Reiz einer echten Begegnung. Wir sind in Kontakt und bewahren zugleich unser Geheimnis. Denn wer kann schon behaupten, sich selbst und den anderen wirklich zu 100 % zu kennen? Beziehungen sind ein ideales Feld, um geistig wendig zu bleiben und zu trainieren, mehr aus sich heraus zu leben. Wenn wir gute Zeiten annehmen und schwierigen Zeiten etwas Gutes abgewinnen können, besitzen wir zwar keinen Freifahrtschein ins Glück. Aber wir gewinnen einen weiten Blick und die Fähigkeit, aus uns heraus und damit der jeweiligen Situation angemessener zu handeln. Und wer wie ein Lebenskünstler schön neben der Spur bleibt, kommt nicht so schnell unter die Räder.
von Nancy Nadja Sandmann 31 Aug., 2023
Neulich bestellte mein Sohn vier Kaffeetassen. Als er das Paket öffnete, fiel ihm ein abgebrochener Henkel entgegen. Wir dachten, okay, vielleicht können wir ihn wieder ankleben. Inzwischen haben wir den Henkel verlegt. Er ist weg. Die Firma schickte zwar sofort Ersatz. Aber was tun mit der Tasse ohne Henkel? Nur der Henkelstumpf ist noch dran an der Tasse. Er ragt in die Luft, zeigt ins Leere. Überhaupt dieser Stumpf. Wozu soll der nütze sein? Also weg damit! - Ich wiege die Tasse in meiner Hand. Mit dem Daumen kann ich sie gut am Stumpf halten – diese Tasse hat Charakter, sie ist ein Unikat. Ich könnte in ihr meinen Matcha-Tee aufschäumen...ja, das klappt gut. Die Tasse ohne Henkel ist wie geschaffen dafür. Ersetzt, aber nicht verloren „Jeder ist ersetzbar“, meinte einmal ein Freund zu mir. Er war krank geworden und erleichtert, dass sein Team ihn so gut vertreten hatte. Ich freute mich für ihn und zugleich blieb ich an seinem Satz hängen. „Jeder ist ersetzbar“ kann ja ganz verschieden verstanden werden. Zum einen, dass ich mich nicht allzu wichtig nehme und sehr genau weiß, dass andere Menschen meine Aufgaben übernehmen können. Vielleicht erfüllen sie ihre Funktion auch besser als ich es konnte. Wie auch immer, ich weiß um meine Begrenztheit und kann die Unterstützung anderer annehmen. Zum anderen - Sie erinnern sich an die Tasse ohne Henkel? Sie wurde von einer Tasse mit Henkel ersetzt. Sie ging aber nicht verloren, sondern fand ihren eigentlichen Platz in meiner Teekiste. Der Vergleich mag etwas gewagt sein, aber ich denke, so ähnlich ist es bei uns Menschen auch. Wir Menschen sind mehr als die Summe unserer Rollen und Funktionen, die wir übernehmen. Dieses Mehr ist schwer zu greifen und doch umfasst es alles, was wir als Menschsein bezeichnen: Im Tiefsten sind wir allesamt Unikate und somit nicht ersetzbar. Jede und jeden von uns gibt es nur einmal. Das schließt nicht aus, dass andere Menschen Spuren in uns hinterlassen. Und auch wir hinterlassen Spuren in den Menschen, die uns umgeben – allein durch unser Dasein. Von Augenblick zu Augenblick Jede Spur hat ihren eigenen Verlauf und damit ihren individuellen Abdruck in der Seele. Ein Beispiel: In meiner Jugend hatte ich eine Reihe schmerzhafter Zahnbehandlungen durchzustehen. Schließlich fürchtete ich mich vor jedem Termin. Nach einigen Jahren fand ich über eine Empfehlung einen neuen Zahnarzt. Er war so ruhig und bedacht, dass auch ich ruhiger wurde. Als er in den Ruhestand ging, wechselte ich zu seiner Kollegin. Sie macht ihre Arbeit gut und zugleich bleibt ihr Vorgänger in mir präsent. Die innere Spur setzt sich fort: Mein Erfahrungsschatz zum Thema Zahnarzt wird um weitere Facetten reicher. Ein anderes Beispiel: Wenn sich Paare trennen, kommt es häufiger vor, dass die Partner ihre gemeinsame Vergangenheit auslöschen wollen. Manchmal gehen sie schnell neue Beziehungen ein in der unausgesprochenen Hoffnung, das schmerzhafte Alte möge damit doch verschwinden. Meist bleibt es.Wer „alles“ hinter sich lassen will, übersieht, dass wir Menschen Gewordene sind. Mit der Vergangenheit im Gepäck gehen wir nach vorn - von Augenblick zu Augenblick. Wir können überholte Verhaltensweisen ablegen, ebenso schlimme Erfahrungen mildern und damit unbeschwerter gehen. Die Spuren naher Menschen lassen sich dennoch nicht tilgen. Verbundenheit im guten Sinne bleibt. Oft trägt sie einen sogar weiter durchs Leben. Sie wirkt, auch wenn sie im Alltag kaum spürbar ist oder vielleicht auch verleugnet wird. Sich im Tiefsten treu bleiben Es gibt Menschen, die gehen durchs Leben wie ein guter Wein. Sie reifen an ihren Beziehungen und an dem, was das Leben ihnen zumutet. Im besten Fall bleiben sie sich im Tiefsten treu. Gespräche und Begegnungen mit diesen Menschen tun gut. Wir fühlen uns wohl in ihrer Gegenwart. Diese Menschen sind nicht perfekt. Sie sind nicht optimal an die Erfordernisse der Welt angepasst. Sie machen Fehler, wissen um ihre Schwächen. Sie bleiben unvollkommen wie die Tasse ohne Henkel. Und doch haben sie ihren Platz gefunden. Sie spüren, wenn sie im Alltag den roten Faden verlieren und bringen den Mut auf, innezuhalten und zu fragen: Bin ich auf dem richtigen Weg? Oder steht es an, nun eine Abzweigung ins Ungewisse zu nehmen? Dann braucht es Mut, den ersten Schritt zu gehen.Wer an das Wirken Gottes bzw. an eine göttliche Quelle glaubt, kann darauf vertrauen, in solchen Momenten geführt zu werden.Wir können auch Kraft aus der Erfahrung schöpfen, dass das Leben uns trägt und einen zweiten Schritt setzen. Wir können auf den Beistand lieber Menschen hoffen und den dritten Schritt gehen. - Wie auch immer: Wer sich treu bleiben möchte, steht für sich ein – stets aufs Neue. Das ist eine echte Lebensaufgabe und in diesem Sinne mögen Sie meine Frage „Fühlen Sie sich manchmal auch wie eine Tasse ohne Henkel?“ durchaus sympathisch finden.
von Nancy Nadja Sandmann 24 Juni, 2023
Zwei Schafe in Neuseeland. Dort gibt es weniger Zäune als hier. Die Weiden sind groß und werden von kaum befahrenen, unbefestigten Straßen durchschnitten. Die beiden haben also ausreichend Platz, ihrer Wege zu gehen. Für den Augenblick des Fotos sind sie einmütig beieinander. Es mag sein, dass sie sich schon nach der nächsten Kurve trennen. Eines bleibt vielleicht stehen. Das Andere schließt sich anderen Schafen an.Und später am Abend kommen sie mit der ganze Herde wieder zusammen, um am Morgen erneut ihren Pfaden zu folgen – immer der Nase nach, mal allein und mal zu zweit inmitten der Herde. Wer aufrichtig ist, lebt zufriedener Sie ahnen es vielleicht schon: Bei uns Menschen liegen die Dinge komplizierter. Manchmal sind wir geradezu Meister darin, die Zeit anzuhalten und dem Leben eben nicht seinen Lauf zu lassen – von wegen immer der Nase nach. Wie mit angezogener Handbremse halten wir an alten Gefühlen fest, bleiben in der Trauer stecken, versinken im Groll oder quälen uns mit Selbsthass, weil wir uns „um des lieben Friedens willen“ innerlich so lange verbiegen, bis wir uns selbst nicht mehr wiedererkennen. Ein Beispiel sind Paare, die schöne Augenblicke um jeden Preis konservieren möchten. Sie laufen Gefahr, einander zu verlieren. Und zwar nicht weil sie zu viel streiten, sondern weil sie eben gar nicht streiten. Ihre Vorstellung von einem harmonischen Zusammensein überlagert den Alltag mit seinem täglichen, lebendigen Auf und Ab. Falsch verstandene Einmütigkeit ist erzwungene Harmonie. Sie bremst uns aus und kann auf Dauer krank machen.Wie erfrischend wirkt da ein aufrichtiges Nein. Der Psychotherapeut und Philosoph Piero Ferrucci beschreibt in seinem Buch „Nur die Freundlichen überleben“ die klärende Kraft der Aufrichtigkeit. Ja, Sie haben richtig gelesen: Aufrichtigkeit und echte Freundlichkeit gehören zusammen. In seinem Buch nennt Ferrucci 18 Eigenschaften, die sich in der freundlichen Haltung bündeln. Neben der Aufrichtigkeit sind dies unter anderem Vertrauen, Dankbarkeit und Respekt. Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen. Denn Freundlichkeit ist eine Stärke, und es sind die Freundlichen, die sich nicht in Misstrauen, Sorge, Angst und Manipulation verlieren. Allein schon deshalb leben sie oft gesünder und zufriedener als ihre Mitmenschen. Füreinander sichtbar werden Doch zurück zur Aufrichtigkeit. - Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wie es gehen kann, ehrlicher mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin zu sprechen – eben aufrichtiger und damit auch aufrechter zu sein. Denn in der Aufrichtigkeit werden wir auch sichtbar. Wir zeigen uns, wie wir sind. Dazu braucht es Überwindung und eben auch Vertrauen, dass mein Gegenüber meine Worte annehmen kann. Vielleicht gelingt dies nicht sofort und beide Partner müssen eine oder mehrere Nächte drüber schlafen. Aber dann können Sie den Faden wieder aufnehmen und erneut ins Gespräch kommen. Sie werden merken: Ein Problem verliert allein schon deshalb an Kraft, indem Sie den Mut haben, es zu benennen. Denn seien wir ehrlich: Es mag oft schmerzen, vom anderen eine unangenehme Wahrheit zu hören. Aber um wie viel mehr kann es schmerzen, wenn die Konfrontation vermieden wird. Konflikte dümpeln dann im Untergrund jahrelang vor sich hin und machen mit der Zeit jede spontane Begegnung unmöglich. Damit geht dann auch die Leichtigkeit verloren, und die Beziehung wird fad.Viele Trennungen gerade auch nach langen Partnerschaften haben ihren Grund genau darin: in der Scheu, das Übel bei der Wurzel zu packen. Das Geschenk innerer Freiheit Sich selbst und damit auch dem anderen gegenüber aufrichtig zu sein, kann also zutiefst erleichtern und die Beziehung auf lange Sicht lebendig halten. Aufrichtigkeit muss stets aufs Neue gewagt werden. In ihr verborgen ist das Geschenk innerer Freiheit, die stets dann zu spüren ist, wenn ich für mich eingetreten bin, also meine Grenzen achte. Zugleich rührt sie an die tiefe Sehnsucht, als die Person angenommen zu sein, die ich bin. In diesem Sinne einmütig zusammen zu leben, bedeutet, mit Unvereinbarkeiten und damit mit einem gelegentlichen Nein gut leben zu können.
von Nancy Nadja Sandmann 26 Mai, 2023
Meine Lieblingswerkzeuge zum Fangen einer Spinne sind eine Postkarte und ein Glas. Sitzt die Spinne still an der Wand, stülpe ich ihr das Glas über und schiebe dann die Postkarte unter ihre acht Beine. Derart vor Berührung geschützt, trage ich sie vor die Haustür und lasse sie davon krabbeln. Selbstverständlich in der Hoffnung, dass sie nicht gleich durch das nächste offene Fenster wieder ins Haus zurück huscht. Wir schauten unserer Angst ins Gesicht Einmal hatte mein Sohn seinen Rucksack im Flur vergessen. Er hatte ihn lange vergessen. Als er ihn dann doch einmal brauchte, saßen zwei große Spinnen darauf. Da kam ich mit Glas und Postkarte nicht weiter. Und so schauten wir unserer Angst ins Gesicht und schoben den alten Rucksack langsam mit einem Besen aus der Tür heraus auf den Hof. Draußen ruckelten wir etwas kräftiger am Rucksack. Das gefiel den Spinnen nicht und sie krabbelten flugs davon. Ich klopfte den Staub vom Rucksack und mein Sohn nahm ihn wieder in Besitz. Die Reißverschlüsse hatte er damals – vor dem Vergessen – Gott sei Dank geschlossen. Ja, manche Spinnen sind schon eklig – und auch etwas gruselig. In meinem Leben sind sie mir schon viele Male über den Weg gelaufen und ich hatte so manchen Kampf mit mir selbst auszufechten, bis mich die Begegnungen mit ihnen nicht mehr in Angst und Panik versetzten. Heute finde ich sie sogar recht nett. Eine Freundin aus meiner Grundschulzeit liebte die Spinnen in den Ecken ihres Kinderzimmers so sehr, dass sie ihnen Namen gab. So weit gehe ich nicht. Die Spinne als Weltenweberin Aber ich habe mir angewöhnt, nicht nur die abstoßenden Seiten dieses Krabbeltiers zu sehen, sondern auch die anziehenden. Denn Spinnen kreuzen unsere Wege, seit es Menschen gibt. Und sie haben uns stets fasziniert. In vielen Mythen gilt die Spinne als Weltenweberin, weil sie die Fähigkeit besitzt, aus sich heraus einen Faden zu erzeugen, mit dem sie ihre Netze baut. Spinnen symbolisieren auch die Moiren. So heißen die griechischen Schicksalsgöttinnen, die den Lebensfaden jedes einzelnen Menschen spinnen und damit die Spanne allen Glücks und Leids von der Geburt bis in den Tod bemessen. In der Verhaltenstherapie lernen Menschen, dass nicht die Spinne an sich, sondern die Vorstellung von ihr angstauslösend ist. Und Vorstellungen lassen sich ändern. Deshalb setzen sich Menschen mit Spinnenangst in der Verhaltenstherapie schrittweise der Begegnung mit den Achtbeinern aus. Entwickeln sie ausreichend Mut, dann halten sie die reale Begegnung aus, bis ihre Angst verschwindet. Angst ist vor allem eine körperliche Reaktion auf eine echte oder vermeintliche Gefahr. Sie lässt nach einer Weile nach, wenn wir uns entspannen. In der Verhaltenstherapie lernen wir also, angemessen auf das einst gefürchtete Tier zu reagieren. Je nach Therapie-Erfolg ändert sich die verzerrte Vorstellung von ihm mehr oder minder stark. Sinnbild tiefster menschlicher Erfahrung Für mich kam eine Verhaltenstherapie nie infrage. Denn ich interessierte mich schon früh für das, was die Spinne für mich symbolisiert. Denn oft ist die Spinne Sinnbild bestimmter Facetten tiefster menschlicher Erfahrung. Wer kennt das nicht? Im Netz einer Spinne hat sich eine Fliege verfangen. Blitzschnell kommt die Spinne aus ihrem Versteck, betäubt die Fliege und verpackt sie in einem Kokon aus Spinnnenseide. Wir schauen fasziniert zu. Wir staunen über den Erfindungsreichtum der Natur und spüren zugleich diesen bangen Hauch einer Ahnung, von einem nahen Menschen vereinnahmt, ja geradezu ausgesaugt zu werden. Von was werden wir an der Bewegung gehindert? Von wem kommen wir nicht los? - Diese Fragen können wir uns stellen, wenn uns Spinnen in Angst und Schrecken versetzen. Oder wir kommen ins Schlafzimmer und sehen, wie sich eine Spinne flugs unter die Dielen verkriecht. Unser Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle ist alarmiert: Wer kann da nachts noch ruhig schlafen, wenn unterm Bett die Gefahr lauert? Oder, oder, oder … die Spinne kann nichts dafür, dass sie mit ihrem Verhalten an menschliche Erfahrungswelten rührt. Als mir dies klar wurde, hörte ich auf, Spinnen einfach aufzusaugen.Ich gewöhnte mich an Glas und Postkarte und fing an, Licht in die Schatten meiner Seele zu werfen. P.S.: Die Spinne unterm Bett hatte übrigens ein Einsehen. Noch am selben Tag kam sie wieder hervor und ließ sich in den Garten tragen.
von Nancy Nadja Sandmann 09 März, 2023
In Balance zu bleiben, ist eine Kunst. Katzenfreunde staunen oft über die akrobatische Gelenkigkeit ihrer Vierbeiner. Und wir Menschen? Was brauchen wir, damit wir unser Gleichgewicht halten können? • Erst einmal sicherlich den passenden Körperbau (Katzen haben kein Schlüsselbein, wir schon) • dann ein gutes Körpergefühl • verbunden mit einem ausreichenden Maß an innerer Sammlung • dazu ein paar Trainingspartner, die zeigen, wie's geht • und schließlich ein Leben lang Zeit zum Üben • kurzum: die Freude am unterwegs sein. Nun gut, das ist der körperliche Part. Aber was braucht es nun, um das seelische Gleichgewicht zu halten? • Erst einmal sicherlich die passende seelische Verfasstheit (wir sind innerlich oft viel beweglicher als wir glauben) • und ein Gefühl für die eigenen Bedürfnisse • verbunden mit einem ausreichenden Maß an innerer Sammlung • dazu ein paar Trainingspartner, die zeigen, wie's geht • und schließlich ein Leben lang Zeit zum Üben • kurzum: die Freude am unterwegs sein. Ja, Sie haben richtig gelesen. Einige Punkte wiederholen sich. Offensichtlich gibt es Überschneidungen bzw. ein Ineinandergreifen körperlicher und seelischer Balance. Das wird sicherlich etwas deutlicher, wenn ich nun die einzelnen Voraussetzungen seelischen Gleichgewichts betrachte. Die passende seelische Verfasstheit: Wer schon einmal eine Depression durchmachen musste, weiß, wie stark eine niedergedrückte Stimmung seelisches Erleben zum Erliegen bringen kann. Unverarbeitete schmerzhafte Erfahrungen dämpfen ebenfalls unser Erleben. Tiefe körperlich-geistige Erschöpfung nimmt auch die Kraft zum Fühlen. Festgefahrene Verhaltens- und Denkmuster engen unsere Wahrnehmung ein. Wir nehmen uns und die Welt nur noch aus festgezurrten Blickwinkeln ein. Das Leben wird fad und strengt zugleich über die Maßen an. Die gute Nachricht ist, dass wir innerlich viel beweglicher und damit lebendiger sind als wir glauben. Ein Beispiel: Erfahrenes Leid lässt sich nicht ungeschehen machen. Aber wir können unsere Haltung dazu betrachten und mit der Zeit gegebenenfalls lockern, damit sich festgehaltene Gefühle wandeln können. Ein Gefühl für die eigenen Bedürfnisse: In Paarbeziehungen treffen zwei Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen direkt aufeinander. Das kann sich gut anfühlen, aber auch Reibungen verursachen. Kein Mensch wird stets so sein wie der/die Andere ihn gerade braucht. Ist ein Paar wirklich von Person zu Person verbunden, dann lernen beide, ihr Gegenüber als den Menschen zu nehmen, der er ist. Individuelle Bedürfnisse stehen auch nicht fest, sondern wandeln sich über die Jahre. Die Sexualität ist dafür ein besonders gutes Beispiel. Sie vereint Körper und Seele auf innige Weise und ist intimer Ausdruck eines Menschen. Wer Sexualität auf die Häufigkeit von Sex reduziert, läuft Gefahr, ihr die Tiefe zu nehmen. Sexuelle Bedürfnisse lassen sich ebenso wenig gleichschalten wie das Bedürfnis nach Autonomie oder das Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit. Leugnen wir unsere eigenen Bedürfnisse, um anderen zu gefallen oder weil der andere sie nicht sehen will, tun wir uns Leid an. Die eigenen echten Bedürfnisse zu erkennen und ernst zu nehmen, ist ein lebenslanges Tun. Es lohnt sich, die eigenen Bedürfnisse immer mal wieder zu prüfen, damit sie nicht in Ersatzbefriedigungen abgleiten. Hamsterkäufe beispielsweise machen das Haus voll, aber die Seele nicht satt. Ein ausreichendes Maß an innerer Sammlung: Wer bin ich? Wofür schlägt mein Herz? Wieso tue ich gerade dies und lasse gerade das? - In Augenblicken innerer Sammlung fragen wir uns genau das. Besonders in Krisen ist es hilfreich, sich Zeiten der Ruhe und Selbstbesinnung zu nehmen. Viele Menschen sehnen sich danach, mehr bei sich selbst zu sein. Dabei übersehen sie, dass nur die Person bei sich zuhause sein kann, die sich auch die Zeit für sich selbst nimmt. Ein zu eng getakteter Alltag produziert eher Hektik und bietet wenig Raum für Stille. Kommen wir gar nicht mehr zur Ruhe, ist unser Motor bereits heiß gelaufen. Mir ist das einmal vor vielen Jahren mit meinem Auto passiert. Ich hatte vergessen, Kühlwasser nachzufüllen. Gott sei Dank war eine Werkstatt in der Nähe. In der inneren Sammlung kühlen wir herunter, werden innerlich wieder weit und bringen uns zurück in die Gegenwart. Innere Sammlung hilft, wieder nach außen zu gehen und geerdete Entscheidungen zu treffen. Ein paar Trainingspartner, die zeigen, wie's geht: Schon im Mutterleib spüren wir die Gegenwart von Menschen, die es hoffentlich gut mit uns meinen. Damit meine ich keine fehlerlosen Menschen. Sondern Menschen, die aus ihren Erfahrungen lernen und vor allem ein warmes Herz haben. Menschen, die uns lieben und denen wir vertrauen können, sind ein Schatz. Oft erzählen mir Menschen von traurigen und schmerzhaften Kindheitserlebnissen. Fast ebenso oft tauchen beim Sprechen aber auch eine Oma, ein Opa oder ein guter Freund auf, die für uns da waren. Unser Herz merkt sich, wie es sich anfühlt, geliebt zu werden. Diese tiefe Erfahrung hilft uns später, die Menschen zu erkennen, die uns gut tun. Partnerschaften sind immer auch Lernräume. In der täglichen Begegnung haben sich Paare abzustimmen, manchmal muss jeder einmal zurückstecken um der gemeinsamen Sache willen. Dann wieder gilt es, den eigenen Standpunkt zu verteidigen. In jeder Lebenslage – vor allem wenn Kinder geboren werden – fordern Partner einander auf, seelisch zu wachsen. Das gilt natürlich auch für Menschen, die allein leben. Die allermeisten von uns haben hilfreiche Menschen um sich, die uns durch ihr Wort und ihr Dasein beistehen und damit unser seelisches Gleichgewicht stärken. Es lohnt sich, hier einmal in einer ruhigen Minute genauer hinzuschauen. Ein Leben lang Zeit zum Üben: Dieser Absatz wird kurz. - Wir Menschen bleiben bis ins hohe Alter lernfähig. Manchen gelingt es, mit dem Leben zu gehen, Überlebtes hinter sich zu lassen und offen zu bleiben für eine freundliche Begegnung. Wer solch einen lebendig gebliebenen Menschen in seiner Nachbarschaft, Familie oder im Freundeskreis hat, kann sich glücklich schätzen. Denn von ihm lässt sich viel lernen.
von Nancy Nadja Sandmann 04 Sept., 2022
Diese Zeile stammt aus einem Lied aus dem 30jährigen Krieg. Wer damals warm sitzen durfte, hatte in erster Linie ein solides Dach über dem Kopf und ein Feuer im Herd – kurzum Behaglichkeit, während andere im Regen standen und von der Hand in den Mund leben mussten. Wer warm sitzt, dem geht es gut. – Sie merken schon, dieser Text ist dem Sitzen gewidmet. Und damit einer Tätigkeit, die heutzutage ein schlechtes Image hat. Dauersitzen tut unserem Körper nicht gut. Das wissen wir alle. Aber darum soll es hier gar nicht gehen. Wie sollte es weitergehen? Alles fing damit an, dass mich Ende Juni ein Hexenschuss erwischt hat. Und zwar so richtig! Ich war über Monate hinweg angespannt gewesen. Mein Hauptauftraggeber war von hier auf jetzt weg gebrochen. Wie sollte es weitergehen? Als ich die Kuh vom Eis hatte, wollte ich durchpusten. Aber mein Rücken machte nicht mit. Ein Hexenschuss tut sehr weh. Ich konnte über mehrere Wochen nicht mehr schmerzfrei sitzen. Sie glauben nicht, wie anstrengend es sein kann, nicht sitzen zu können. Nur Stehen, Laufen und Liegen waren möglich. Am besten klappte das Laufen. Also lief ich. Dazu fällt mir der Satz einer Klientin ein. Sie hatte über ihre emsige Mutter gesprochen, die eigentlich nie zur Ruhe gekommen war. „Aber wenn sie einmal saß, dann saß sie“, erzählte die Klientin. Ihr Satz ist mir hängen geblieben. Sitzen zu bleiben kann einem halt nicht nur in der Schule passieren. Sitzen bleiben zu dürfen kann auch ein Geschenk sein, weil nun eine Pause angesagt ist. Sitzen heißt sesshaft werden Ich spürte am eigenen Leib, wie viel Lebensqualität mir das Sitzen bisher geschenkt hatte und was mir nun verwehrt blieb. Lesen sie mal ein Buch, wenn sie flach auf dem Rücken liegen. Oder trinken Sie einen gemütlichen Tee im Gehen. Oder kuscheln Sie sich im Stehen an Ihren Partner. Es ist ein Unterschied, ob Sie im Stehen über das Meer blicken oder sich einen Platz zum Sitzen suchen und in die Weite schauen. Wer kreativ ist, kombiniert oft Gehen und Sitzen. Im Gehen keimen die Ideen und im Sitzen wird das Ersonnene in eine Form gegossen. In einigen Tagen schließt unser Lieblingsbäcker und geht in den Ruhestand. Viele Jahre standen wir gemeinsam mit anderen treuen Kundinnen und vor allem Kunden samstags in der Brötchen-Schlange. Dieser Bäcker hatte insofern Sitzfleisch, als er auf Filialen verzichtete und einzig auf seine Qualität und die Freundlichkeit seines Teams vertraute. Wir dankten es ihm, indem wir ihm seinen Laden leer kauften. Erst heute Vormittag nahm der Kunde neben mir die letzten fünf Nougatringe des Tages mit. Andere packten sich noch einmal mehrere Laibe Brot zum Einfrieren ein. So schmerzt der Abschied nicht zu sehr. Im Sitzen liegt auch die Entscheidung, zumindest für einige Augenblicke zu bleiben, sesshaft zu werden. Im Sitzen liegt etwas Beständiges. Wer sich setzt, nimmt sich Zeit Vertraute Gespräche werden gern im Sitzen geführt. Dann sitzen wir beieinander. Viele Paare, die sich über die Jahre aus den Augen verloren haben, verbringen Zeit miteinander ohne wirklich nah zu sein. Sitzen sie dann doch einmal ohne Ablenkung zusammen, wissen sie wenig miteinander anzufangen. Es braucht es eine Weile, um wieder warm miteinander zu werden. Bleiben Sie also dran und seien Sie nicht allzu verzagt, wenn Ihnen vorerst die Worte fehlen. Wird das Sitzen als zu anstrengend empfunden, können gemeinsame Spaziergänge helfen, sich wieder aufeinander einzulassen. Eine Bank oder einen Steg zum Verweilen finden Sie sicher auch. Wer sich setzt, nimmt sich Zeit – für sich selbst oder sein Gegenüber.
von Nancy Nadja Sandmann 03 Mai, 2022
Binoxxo zählt zu meinen Lieblingsrätseln: In jeder Spalte und jeder Zeile haben sich jeweils fünf Kreuze und Kreise einzufinden. Allerdings dürfen nicht mehr als jeweils zwei von ihnen aufeinander folgen. Es kann also knifflig werden. Neulich spielten mein Sohn und ich Binoxxo. Ich hatte eine Kopie vom Rätsel gemacht und nun ging es darum, wer gewinnt. Meist hat mein Sohn die Nase vorn. Aber diesmal war er still und rätselte, so dachte ich, vor sich hin. Ich war auch still – ich hing nämlich fest. Nirgendwo fand sich eine Möglichkeit, ein Kreuz oder einen Kreis zu setzen. „ … schwierig...“, meinte mein Sohn und ich dachte, es ergeht ihm wie mir. Aus dem Bauch heraus Eine Weile starrte ich auf die leeren Felder. Dann entschied ich mich zu improvisieren. Ich setzte in der vierten Spalte einen kleinen Kreis mit Bleistift dort, wo ich aus dem Bauch heraus meinte, dass er dorthin gehören könnte. So arbeitete ich mich konzentriert vor, zeichnete kleine Kreise und kleine Kreuze sozusagen provisorisch in die Ecken und freute mich wie Bolle, als ich merkte, dass ich auf der richtigen Spur war. - Schließlich hatte ich jede Spalte, jede Zeile korrekt ausgefüllt. Zufrieden legte ich meinen Bleistift zur Seite und schaute meinen Sohn an. Er zeigte auf den Schnittpunkt dritte Spalte/9. Zeile und meinte: „Wieso hast du hier nicht einfach weitergemacht? “ Ich schaute hin und fand die Anknüpfung, die ich vor einigen Minuten nicht gefunden hatte: „Also, ich glaub's nicht!“ Die Spalte zählte bereits fünf Kreise. Mit zwei Kreuzen hätte ich sie korrekt füllen können. Mein Sohn hatte das Binoxxo übrigens schon längst gelöst und in Stille auf mich gewartet bzw. derweil sein Brötchen gegessen. Das Leben ist nicht gerade Diese Runde hatte ich verloren. Ich war einen Umweg gegangen und zu langsam gewesen. Trotzdem ärgerte ich mich nicht. Im Gegenteil: Die Tüftelei hatte mir Spaß gemacht und mich sehr zufrieden ans Ziel geführt. Immerhin hatte ich gut und richtig kombiniert. Für den Rest des Frühstücks versank ich dann ins Nachsinnen über das Wesen von Umwegen. Ist es nicht seltsam, so ging es mir durch den Kopf, wie ein kleines Rätsel das Leben spiegelt? Welches Leben verläuft schon immer geradeaus? Was ist überhaupt ein Umweg? Der Umweg ist der Weg, der länger ist als der direkte Weg, heißt es angenehm wertfrei im Internet. Ein Umweg kann klein, weit oder groß sein. Das unterscheidet ihn von der Abkürzung. Sie sollte eigentlich kürzer als der direkte Weg sein. Nach heftigen Regenfällen oder zur falschen Jahreszeit kann sie allerdings enorm Zeit kosten und zur Umkehr zwingen. Während einer Wanderung endete meine Abkürzung einmal in einem Schlammloch. Ein anderes Mal war der Weg eine einzige Eisfläche. Da gab's kein Voran. Der Umweg als Ausweichmanöver Manchmal schlagen wir einen Umweg ein, weil wir den direkten Weg fürchten oder zumindest scheuen. Wir weichen aus – innerlich wie auch äußerlich. Das passiert oft, wenn wir etwas nicht wahrhaben wollen, einen Konflikt leugnen. Dann vermeiden wir ein Gespräch, eine Begegnung und damit eine Klärung. Wenn sich Paare jenseits der Silberhochzeit trennen, dann in häufig unter großen Schmerzen. Oft gab es in der Paargeschichte schon seit langen Jahren immer wieder versteckte Hinweise auf tiefe Unzufriedenheiten. Aus Angst vor einer möglichen Trennung wurden sie nie thematisiert. Meist spricht zwar ein Partner seine Trennungsgedanken aus. Aber auf eine so versteckte Weise, dass der andere nicht darauf anspringt. Beide weichen aus, gehen ihre jeweiligen Umwege weiter, bis es einer Seite zu viel wird. Dann reicht ein kleiner, fast banaler Anlass und die Trennung wird ausgesprochen. Viele Verlassene reagieren fassungslos. Erst im Blick zurück wird deutlich, dass beide Partner schon sehr lange getrennt unterwegs gewesen waren und inzwischen bereits jeweils eigenen Pfaden folgen. Ein gemeinsames Ziel gibt es nicht mehr. Der Umweg als Chance Manchmal schlagen wir einen Umweg ein, um Zeit zu gewinnen. In Umbrüchen sammeln wir Kraft für die nächste Lebensphase. Oder wir nutzen den Schlenker als Chance, Neues zu lernen. Denn gerade Wege können auch geradewegs ins Unglück führen. Das ist häufig dann der Fall, wenn Ziele einseitig, zu kurz hintereinander oder zu eng gesteckt sind. Inzwischen kennt jeder in seinem Freundeskreis Menschen, die bis zur Erschöpfung arbeiten. Wo bleibt da die Lebensfreude? Ab und an von der eintönigen Piste auf verschlungene Pfade abzubiegen, schenkt Zeit und Muße, das eigene Leben zu überdenken. Umwege können mit dem Verzicht bisher gewährter Privilegien einhergehen. Vielleicht fällt der Verdienst in einer neuen Arbeitsstelle geringer aus. Dafür bleibt mehr Zeit für die Menschen, die einem am Herzen liegen.Oft tun sich auch neue Wege auf. Nun mögen Sie sagen „Welche Wahl ist denn nun richtig? Der Umweg oder der gerade Weg?“ Da gibt es kein entweder/oder. Eher ein sowohl als auch. Ein Kompass können Sie sich selber sein. Nehmen Sie Gefühle nagender Unzufriedenheit und Traurigkeit ernst. Sie können Anzeichen einer einseitigen Lebensführung sein.Wer nur schnurgerade unterwegs ist und dabei unglücklich ist, braucht vielleicht ein paar Schlenker nach links und rechts, damit der Blick wieder weiter wird. Wer sich auf immer neuen Umwegen durchs Dickicht schlägt, braucht mehr Richtung und Orientierung, damit sein Blick wieder wesentlicher wird.
von Nancy Nadja Sandmann 29 März, 2022
„ ... am Ende scheiterten sie immer.“ „Und wenn ich verzweifle, dann erinnere ich mich, dass durch alle Zeiten in der Geschichte der Menschheit die Wahrheit und die Liebe immer gewonnen haben. Es gab Tyrannen und Mörder und eine Zeit lang schienen sie unbesiegbar, doch am Ende scheiterten sie immer. Denke daran – immer.“ - Letzte Woche telefonierte ich mit einer guten Freundin. Wir sprachen über den Krieg in der Ukraine und da fiel ihr dieses Zitat von Mahatma Gandhi ein: „Ich schick' dir was zum Mutmachen!“ Wie viel Unglück muss noch kommen? In den ersten Kriegstagen ging es mir wie so vielen anderen Menschen um mich herum. Ich war fassungslos. Über Wochen hatte sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zugespitzt. Stets blieb noch ein Funken Hoffnung, dass die russischen Truppen doch nur ein Manöver nahe der Grenze abhielten. Dann kam der Krieg und mit ihm Leid, Tod und Verwüstung. Ich lese das Zitat von Gandhi und frage mich, wann Putin wohl scheitern wird und wie viel Unglück bis dahin noch auszuhalten sein wird. Gewandeltes Leid In den letzten Tagen habe ich oft über diese Frage nachgedacht. Niemand kann sie mir beantworten und doch befasst sie mich, die Frage nach dem Leid. Vor allem nach dem unverschuldeten Leid. Krieg und Vertreibung gehören zu den schlimmsten Erfahrungen, denen Menschen ausgesetzt sind. Meine Freundin hat den Zweiten Weltkrieg noch als Kind erlebt. Als sie nun die Bilder aus der Ukraine sah, kamen die Erinnerungen an Angst und Schrecken wieder. Sie erzählte mir davon und zugleich freute sie sich für die ukrainischen Flüchtlinge, dass sie heute mehr Hilfe erhalten als sie damals bekommen hatte. Mit sich im Frieden sein Ihre Haltung beeindruckt mich. Erlittenes Leid lässt sich nicht auslöschen. Und doch kann sich mit der Zeit der Blick darauf wandeln. So wie ein Baum dort, wo seine Rinde verletzt wurde, neues Gewebe bilden kann, so hat auch unsere Seele die Fähigkeit, sich selbst zu heilen. Ob und wie das geschehen mag, lässt sich nicht vorhersagen. Ein Aspekt mag der tiefe Wunsch nach einem zufriedenen Leben sein. Wer mit sich im Frieden ist, hat sich zuvor oft hart an seinen persönlichen Erschwernissen abgearbeitet. Manchmal schleift einen das Leben regelrecht ab. Andere werden folgen Was dann bleibt, ist ein Mensch, der andere sein lassen kann, weil er eben nicht mit sich selber über Kreuz liegt. Vielleicht spricht Gandhi von Menschen wie diesen, wenn er sagt, dass Wahrheit und Liebe immer gewonnen haben. - Neulich ging ich morgens aus dem Haus und sah, dass unsere Waldrebe wieder auszutreiben begann. Aus dem alten und augenscheinlich abgestorbenen Gestrüpp des letzten Jahres wuchs eine erste, zarte Ranke dem Licht entgegen. Andere werden folgen.
24 Jan., 2022
Vor zwei Tagen habe ich angefangen, einen therapeutischen Bericht für eine Klientin zu schreiben. Ich sichtete den Verlauf, die umfangreichen Unterlagen und machte mir erste handschriftliche Notizen. Die wiederum füllten schnell eine ganze Seite und in mir schlich die Ahnung hoch, dass dieser Bericht wohl doch nicht in einigen Sätzen geschrieben sein wird. Dann griff ich zum Laptop und begann zu tippen. Den roten Faden finden Schließlich habe ich mich knapp drei Stunden an dem Bericht abgearbeitet. Die wesentlichen Punkte waren in eine erste Reihenfolge gebracht; unter dem Strich aber blieb ich unzufrieden. Irgendwie saß das alles noch nicht an seinem Platz. Meine Argumentation wirkte lahm und wenig folgerichtig – kurzum: Mir fehlte der roten Faden. Also tat ich das, was unser Kater bestens beherrscht: Ich legte mich schlafen. - Gegen 2 Uhr nachts wurde ich dann wach … da war doch was … ach ja, mein Bericht … Nun empfand ich meine Arbeit vom Vortag geradezu als unerträglich schlecht, fand hier und dort einen Mangel, überlegte, wie ich es anders machen könnte. Das ärgerte mich: Ich wollte lieber meine Ruhe .. darüber schlief ich dann wieder ein. Das Wesentliche notieren Als ich am frühen Morgen wieder aufwachte, schwirrten mir immer noch einzelne Gedankenfetzen durch den Kopf. Aber etwas hatte sich gewandelt: Mir gefiel, was da in meinem Kopf auftauchte. Das klang schlüssig. Genau so könnte ich den Bericht anpacken. Ich stand auf, nahm mir ein Blatt Papier und notierte alle Punkte. Nachmittags setzte ich mich dann wieder an meinen Laptop. Und nun hatte ich ihn, meinen roten Faden. Licht ins Dickicht bringen Viele Menschen, die zum ersten Termin in meine Praxis kommen, haben eine gemeinsame Not: Sie stecken fest in einer Sackgasse und hoffen auf eine schnelle Lösung ihrer Probleme. Das verstehe ich. Zugleich haben Sie sicher schon einmal erlebt, dass sich leidvolle Umstände nicht mit der Brechstange ändern lassen. Manche Problemlagen sind über die Zeit derart verdichtet, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Wie lässt sich Licht in dieses Dickicht bringen? Vertrauen und locker lassen Eine Möglichkeit besteht im Vertrauen darauf, dass sich Haltungen, Gegebenheiten oder Umstände zurechtrücken, wenn Sie die Zügel etwas locker lassen und auf ihren Körper vertrauen. Für Partnerschaften kann dies zum Beispiel ganz konkret bedeuten, dass ein Problem nicht bis zum Abend geklärt werden muss. Manche Paare diskutieren stundenlang per Whatsapp oder im Bett bis tief in die Nacht über eine Kränkung – ohne sich wirklich verstanden und damit erleichtert zu fühlen. Im Schlaf bleibt das Gehirn aktiv Nicht alles lässt sich vor dem Schlafengehen lösen – und das ist auch gut so. Denn im Schlaf bleibt unser Gehirn aktiv. Die tagsüber gesammelten Daten werden neu klassifiziert und gespeichert. Gerade nach emotional belastenden Gesprächen mag es sein, dass Sie morgens klarer aufwachen und die Streitpunkte des Vortags lockerer sehen. Nun wäre also eine gute Gelegenheit, sich noch einmal in Ruhe zusammenzusetzen. Gibt es wirklich noch etwas zu klären? Falls ja, was genau macht Ihnen zu schaffen? Vielleicht finden Sie nun Worte, ohne den Anderen zu treffen. Falls Ihr Problem von gestern heute keines mehr ist, dann darf es gut sein. Manchmal darf es auch gut sein Etwas gut sein lassen zu können, heißt für mich, einander zu akzeptieren und das Problem von gestern als erledigt zu betrachten. Über eine Angelegenheit zu schlafen bedeutet also, Abstand von etwas zu nehmen und unser Gehirn arbeiten zu lassen. Ist da also etwas dran? - also an den gut gemeinten Ratschlägen, die wir nicht gern hören wollen, weil sie meist zur falschen Zeit kommen: „Schlaf erst mal eine Nacht drüber“ oder „Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus“. Schlaf hilft bei komplexen Problemen Im Internet stieß ich dazu auf einen interessanten Hinweis. In einem Artikel (veröffentlicht im Psychoscope – Magazin für Psychologie, Ausgabe 5/17) berichtet die Autorin über eine Studie von Padraic Monaghan, Professor für Kognition im Fachbereich Psychologie an der Universität Lancaster. Monaghan konnte nachweisen, dass Schlafen die Lösung komplexer Probleme fördert. Gebildet wurden zwei Gruppen von Freiwilligen, die eine Verbindung zwischen verschiedenen Wörtern herzustellen hatten und zwar in den Schwierigkeitsstufen einfach und anspruchsvoll. Die erste Gruppe hatte noch am selben Tag zu antworten; die zweite Gruppe durfte eine Nacht drüber schlafen. Das Ergebnis: Die Gruppe, die schlafen durfte, schnitt bei den anspruchsvollen Fragen deutlich besser ab als die schlaflose Vergleichsgruppe. Bei den einfachen Fragen gab es keine Unterschiede. Eigene Erfahrungen sammeln Vielleicht ergeht es Ihnen wie mir und Sie möchten Ihre eigenen Lösungen finden. Dann sammeln Sie Ihre eigenen Erfahrungen zu diesem Thema. Vielleicht erkennen Sie, dass sich einige Probleme wirklich im Schlaf lösen lassen, andere wiederum nicht. Wie auch immer: So ganz nebenbei bekommen Sie auf diese Weise hier und da eine Handvoll Schlaf. Und der wiederum tut nicht nur Katzen gut.

Momentan können nur die 10 aktuellsten Blog-Beiträge in der Vorschau gelesen werden. Im folgenden Absatz haben Sie jedoch die Möglichkeit weitere Texte zu verschiedenen Themen von mir zu lesen.

Wer fleißig eine Grube gräbt...

Jan. 01, 2024
Ich bin dabei, meinen Rechner zu beerdigen. -Ja, Sie haben richtig gelesen: Ich beerdige meinen Rechner. Einer meiner Söhne arbeitet im Handwerk und sagt diesen Satz stets dann, wenn die Reparaturkosten eines Wäschetrockners, einer Waschmaschine oder eines anderen Weißgeräts deutlich über dem Wert des treuen, aber maroden Haushaltshelfers liegen: „Wir haben heute einen Herd beerdigt.“ – Tja, auch mein Rechner war über die Jahre immer langsamer und beim Hochfahren immer lauter geworden. Niemand mehr wollte sich dieser Geduldsprobe noch aussetzen bis auf mich. Während der Rechner in die Gänge kam, habe ich schon mal angefangen, die Handtücher zusammen zu legen und mir schnell noch einen Tee aufgesetzt.
Ich gestehe, mit der Zeit wurde auch ich mürbe. Und nun bin ich an den Punkt gekommen, lieber die Mühe der Umrüstung auf mich zu nehmen, als tatenlos zuzusehen, wie mein Rechner ohne Datensicherung den Geist aufgibt. Faktisch habe ich zwar noch nicht den Stecker gezogen. Aber ich bin – wie das Foto sinnbildlich zeigt - fleißig dabei, dem guten Stück eine Grube zu graben. Inzwischen sind fast alle Dokumente, Downloads, Fotos und Emails gesichtet, gelöscht, auf den neuen Laptop übertragen oder auf der Externen gespeichert.

Im Mangel verharren oder über sich selbst staunen
Für eine „computerophobe“ Person wie mich ist dieses digitale Umrüsten eine nervliche Meisterleistung. Inzwischen finde ich sogar schon Gefallen an der neuen, wendigen Funkmaus und am handlichen Laptop - erstaunlich. Es stimmt, wir Menschen sind Gewohnheitstiere. Es braucht oft handfesten Druck von außen, um unsere Veränderungsbereitschaft zu aktivieren. Bis dahin halten wir uns mit etlichen Anpassungsleistungen über Wasser. Wir gewöhnen uns an den Mangel und geben ihm vielleicht noch eine besondere Note („Mein Rechner lehrt mich, geduldig zu sein.“). Oder wir vermeiden den Blick auf den drohenden Datenabsturz („Wird schon gut gehen.“). Über kurz oder lang braut sich dann allerdings doch Entscheidungsdruck zusammen.
In überlebten Beziehungen kommt es dann häufig zu Abstürzen, also zu Trennungen von hier auf jetzt. Die verlassene Person versteht oft die Welt nicht mehr, steht geradezu unter Schock. Später wird deutlich, dass das Ziehen des Schluss-Striches einen jahrelangen Anlauf brauchte. Das betrifft nicht nur die Person, die aktiv geht, sondern auch die Person, die zurückbleibt. Beide hegten immer wieder Trennungsgedanken, beide zogen sich emotional voneinander zurück, langsam, aber kontinuierlich. Eine wirkliche Aussprache wurde vermieden bzw. es fehlte die Kraft dafür. Schließlich wird die Beziehung leer. Das Auseinanderfallen im Nachhinein zu erkennen, kann sehr schmerzhaft sein, vor allem wenn ein Partner den anderen noch liebt.


Lässt sich solchen Abstürzen vorbeugen? Was können Sie tun, um Ihre Partnerschaft lebendig zu erhalten?

•    Zuerst einmal braucht es Mut und Vertrauen in sich selbst und die Beziehung, um sich zu öffnen und damit zu zeigen. Wir sollten einander also ohne Visier begegnen, um drängende Themen zeitnah ansprechen und auch anhören zu können. Viele Menschen wünschen sich solch eine Beziehung auf Augenhöhe. Der Weg dorthin ist ein Übungsweg und daher nie gerade; oft braucht es mehrere Anläufe, um wirklich miteinander zu sprechen. Denn stets schwingt ja auch die Furcht mit, den anderen vor den Kopf zu stoßen oder gar zu verlieren. Auf der anderen Seite stärkt jedes Verstehen, jede gemeinsame Lösung den Zusammenhalt. Hilfe von außen kann für beide angezeigt sein, wenn emotionale Altlasten aus der Biographie und/oder aus der aktuellen Beziehung das Vertrauen erschüttern.

•    Partnerschaften, in denen einer oder beide den anderen mit Worten quälen und/oder körperlich verletzen, leiden unter dem Verlust von Respekt. Meist hegt ein Partner den stillen Wunsch, sich zu trennen, hat aber zugleich auch große Angst davor. Emotionale und/oder materielle Abhängigkeit können das Empfinden, keine Wahl zu haben, noch verstärken. Paartherapien überfordern hier oft. Individuelle Begleitung kann helfen, sofern sie ausreichend Schutz und Sicherheit gibt.  

•    Und auch dies kann sein: Manchmal möchten wir uns gar nicht vom Partner trennen. Wir sprechen zwar von Trennung. Aber je klarer wir uns werden, desto stärker spüren wir, dass die Beziehung stagniert, weil einer oder beide in einem überlebten Alltag verharren. Vielleicht hätte ich schon längst die Stelle wechseln sollen. Aber mir fehlt der Mut und meine Unzufriedenheit provoziert Streit in der Beziehung. Es ist ratsam, sich selbst zu prüfen, wem die Trennung gilt: einer Person oder einer Haltung bzw. einer Lebensphase. – Oder überspitzt gefragt: Nicht wen, sondern was habe ich zu begraben?

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